Plötzlich geht das Licht an
Artikel von Salama Inge Heinrichs
genommen aus der Oshotimes Januar 2007
„Was habe ich jetzt zu lernen?“, ist eine der wichtigsten Fragen im Leben.
Sie spornt an, Risiken einzugehen, hilft aus bequemen, aber leider auch eingeschlafenen Situationen heraus, erleichtert schwierige Umstände und schenkt eine positive Lebenseinstellung. Jedes Schlüsselerlebnis, das in unserem Leben die Weichen neu stellt – wir mögen es als schmerzliche oder als glückliche Fügung empfinden – öffnet unseren Horizont. Das Leben ändert sich mal wieder, die Wirklichkeit wird klarer als vorher.
Schlüsselerlebnisse, das sagt schon der Name, sind Erlebnisse und Erfahrungen, die zum Schlüssel werden für unsere Erkenntnis, unsere Geschichte, unseren Werdegang, unser Wissen, unsere Weltsicht und unser Bewusstsein. Sie können uns in den unterschiedlichsten Situationen treffen, entweder in einer schmerzlichen oder aber auch in einer überraschend glücklichen Situation, wo uns plötzlich ein Licht aufgeht und eine Erkenntnis stattfindet, die wir bisher noch nicht hatten, die wir bisher entweder verweigert haben oder einfach nicht sehen konnten, weil wir blind waren.
Wir haben alles vergessen
In unserem Unterbewusstsein ist, das wissen wir heute, alles vorhanden: Nicht nur unsere eigene Vergangenheit, sondern auch die Vergangenheit bzw. das Wissen der ganzen Menschheit. Wir haben nur alles vergessen. Jedes Kind weiß bei seiner Geburt, woher es kommt und wohin es geht. Wer einem Neugeborenen in die Augen schaut, sieht, dass in diesen Augen, die aus der Ewigkeit kommen, alles vorhanden ist: eine tiefe und unauslöschliche Weisheit, die allerdings recht bald verloren geht durch die Erziehung zum Denken, zur Logik, zum Lesen-Schreiben-Rechnen, die wir brauchen, um uns in der augenblicklichen Realität zurechtfinden zu können. Erst im Laufe des Lebens kann sich, wenn wir gelernt haben bei uns zu sein und meditativ unser Inneres zu betrachten, eine Möglichkeit entfalten, die uns überraschend neue Einblicke in die Realität gestattet – in die Wirklichkeit, also das, was wirkt. Dann werden wir auch erkennen, dass unsere Weltbilder und Verhaltensmuster nur Mittel waren, um uns in der jeweiligen augenblicklichen Situation zurechtzufinden, dass sie aber ihren Inhalt verlieren bzw. verändern, sobald Schlüsselerlebnisse unser ganzes Sein ergreifen und unsere bisherige Sicht infrage stellen.
Nicht nur Kontemplation ist der Weg, sondern eben diese Schlüsselerlebnisse, die plötzlich und unerwartet, ja oft blitzartig eine Welt eröffnen, von der wir uns womöglich gefürchtet haben oder die wir gar nicht für möglich hielten. Ich habe das in vielen Situationen erleben dürfen und immer wieder hat sich durch die neue Perspektive mein Weltbild erweitert, sodass ich mir heute immer wieder sage: Mach dir kein Weltbild mehr, das ist alles Quatsch, nimm die Wirklichkeit – das, was wirkt – wahr, und die kann sich in jedem Augenblick ändern und neue Perspektiven aufreißen.